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Vytautas Karalius          



Unterm eisernen Fußboden

Endloser eiserner Fußboden. Unter ihm Höhlen und Schlupflöcher – ein Labyrinth für
Myriaden von Lebewesen, und über ihnen allen der eiserne Fußboden – dick und alt, rostfrei,
und oben sind Schritte vernehmbar. Lauter hört, wer sich ganz nahe zum Fußboden
durchgegraben hat und lauscht mit angelegtem Ohr. Leiser, wenn du irgendwo tief unter den
Höhlen der anderen geblieben bist. Und sogar in der Tiefe ist es zu hören, jedoch nur durch
Lautsprecher. Schritte sind vernehmbar, dumpfe Schritte. Doch unklar wessen. Man sagt, der
Geschichte. Doch geht sie nicht immer. Sehr oft sitzt sie einfach. Die Stille ist unheimlich,
aber es ist auch schrecklich, wenn sie auf den eisernen Fußboden stampft, und du liegst mit
angeschmiegtem Ohr.
Oder ist es nicht die Geschichte? Zuweilen scheinen dort oben vier Hufe zu stampfen.
Vielleicht tritt da eine Kuh? Und woher bekommt sie Gras? Vielleicht wird es von irgendwo
gebracht, wo es keinen eisernen Fußboden gibt? Man weiß es nicht. Und warum eine Kuh?
Und wer melkt sie, die riesenhafte? Und wozu Milch, wenn es da niemanden gibt. Wir wissen
doch gar nichts. Wir vernehmen nur das gehen – und Furcht kommt über uns, aber Stille wäre
noch furchtbarer. Die Stille unter dem eisernen Fußboden, wo Myriaden von Höhlen sind und
keine durch den Fußboden führt. Und es gibt keinen Gott, der leise wie Rost kommen würde.
Es gibt solchen Gott nicht. Und niemand betet unter dem eisernen Fußboden. Nur Höhlen
werden gegraben, und ab und zu horcht man auf. Oh, wären wir die Ohren los! Oder besser
sie noch nicht verfluchen? Vielleicht nicht voreilig auf sie verzichten? Vielleicht werden wir
sie noch brauchen? Vielleicht erreicht uns unterm eisernen Fußboden auch andersartiges
Gestampf. Vielleicht vernehmen wir trotzdem nicht vier Beine, sondern zwei?


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